Stellen Sie sich vor, Ihr Auto hat eine Panne, und als ob das nicht schon lästig genug wäre, wird Ihnen auch noch gesagt, dass genau das Teil, das Sie zur Reparatur benötigen, nicht auf Lager ist und erst in einer Woche eintreffen wird. Praktische Probleme häufen sich, z. B. können Sie Ihre Kinder nicht zur Schule fahren oder den Wocheneinkauf nicht nach Hause bringen. Unerwartete Kosten für öffentliche Verkehrsmittel, Liefergebühren und geplatzte Pläne summieren sich schnell. Frustriert fragt man sich dann: Wie kann es sein, dass sie ein so wichtiges Teil nicht auf Lager haben?

Dieses Beispiel verdeutlicht den Druck, den die Kunden auf die Aftermarket-Unternehmen ausüben, um sicherzustellen, dass wichtige Ersatzteile für dringende Reparaturen stets verfügbar sind. Was Kunden jedoch oft nicht sehen, ist die Komplexität, mit der diese Unternehmen umgehen müssen. Aftermarket-Anbieter sehen sich mit hohen Erwartungen an die Verfügbarkeit konfrontiert, da sie wissen, dass Verzögerungen zu Umsatzeinbußen oder Vertragsbrüchen führen können. Darüber hinaus müssen sie lange Lieferzeiten, ein breites Sortiment und schwer zu prognostizierende Artikel verwalten.

In diesem Artikel wird untersucht, warum das effektive Management dieser kritischen Ersatzteile eine so große Herausforderung darstellt, und es werden Strategien erörtert, die Aftermarket-Unternehmen anwenden können, um diese Herausforderungen zu bewältigen und ihre Bestandsmanagementverfahren zu verbessern. Diese Erkenntnisse stammen von Roberto David, Solution Architect bei Slimstock, mit umfassender Erfahrung in der Aftermarket-Branche.

 

Strategien für die Bedarfsplanung in der Ersatzteilbranche

Das Ermitteln der Nachfrage ist ein wichtiger Schritt in einem effektiven Bestandsmanagement: Um zu wissen, wie viel Bestand zu halten ist, muss zunächst eine genaue Bedarfsprognose erstellt werden.

Innerhalb eines breiten Sortiments sind verschiedene Techniken erforderlich, um die verschiedenen Artikel effektiv vorherzusagen. Schnelldreher wie Reifen mit häufigen und stetigen Verkäufen sind aufgrund ihrer kontinuierlichen Nachfragemuster leichter zu prognostizieren. Langsamdreher, wie bestimmte Chips, werden dagegen seltener verkauft, was eine genaue statistische Vorhersage aufgrund fehlender Datenpunkte schwierig macht.

 

Komplexität der Prognose unregelmäßiger Nachfragemuster

 

Bei Unternehmen des Ersatzteilmarktes besteht der Großteil des Sortiments aus Artikeln mit geringer Umschlagshäufigkeit, was den Prognoseprozess erschwert.

  • Ungewissheit über den richtigen Bestellzeitpunkt: Nehmen Sie zum Beispiel Scheibenwischerblätter—diese Teile gehen unter normalen Bedingungen selten kaputt, aber nach einem Sturm steigt die Nachfrage erheblich. Diese Unvorhersehbarkeit erschwert die Prognose.
  • Balance zwischen Verfügbarkeit und Prognosegenauigkeit: Eine hohe Verfügbarkeit wird problematisch, wenn Prognosen unzuverlässig sind, was häufig in verpassten Verkaufschancen oder Überbeständen resultiert.
  • Hohe Sicherheitsbestände: Um die Verfügbarkeit bei hoher Unsicherheit zu gewährleisten, sind hohe Sicherheitsbestände erforderlich, was kostspielig und platzineffizient ist.
  • Unfallbedingte Reparatur vs. regelmäßige Wartung: Diese Unsicherheit wird beeinflusst, ob das Teil hauptsächlich für unfallbedingte Reparaturen oder für die regelmäßige Wartung benötigt wird. Teile, die für Wartungszwecke verwendet werden, haben in der Regel ein weniger volatiles Nachfrageverhalten als Teile für Unfallreparaturen.

Um übermäßig hohe Sicherheitsbestände zu vermeiden, ist die Verbesserung der Prognosegenauigkeit entscheidend. Die Verwendung des richtigen Prognosealgorithmus – und nicht nur eines einfachen gleitenden Durchschnitts – kann dazu beitragen, die Unsicherheit zu verringern. Eine geringere Unsicherheit ermöglicht einen niedrigeren Sicherheitsbestand bei gleichzeitiger Erfüllung der Kundennachfrage. Eine zuverlässigere Prognose verbessert nicht nur die Verfügbarkeit, sondern ermöglicht es den Disponenten auch, sichere, datengestützte Entscheidungen zu treffen.

Eine weitere Herausforderung besteht darin, dass sich SKU-Nummern ändern, da sich Teile weiterentwickeln oder durch neuere Modelle ersetzt werden. Eine Herausforderung bei neuen oder wieder eingeführten SKUs ist der Mangel an historischen Daten für zuverlässige Prognosen. Die Like-for-Like-Modellierung löst dieses Problem, indem sie die Nachfragehistorie von Vorgänger-SKUs überträgt und so datengestützte Prognosen für neue Artikel ermöglicht.

Bei der Prognose der Nachfrage nach Teilen für ein neues Fahrzeugmodell kommt noch ein weiterer kritischer Faktor ins Spiel: der Wert des Fahrzeugs selbst. Teile für hochwertige, luxuriöse Fahrzeuge müssen eher durch OEM-Teile (Original Equipment Manufacturer) ersetzt werden, während Besitzer von preiswerteren Fahrzeugen oft preiswertere Aftermarket-Teile wählen. Durch die Berücksichtigung dieses Reparaturverhältnisses zwischen OEM- und Aftermarket-Teilen können die Nachfrageprognosen für neue Modellteile von Anfang an genauer sein.

 

Proaktive Ansätze für die Supply Chain Planung in der Aftermarket-Branche

Die Bedarfsplanung ist aufgrund komplexer Prognosen und hoher Anforderungen an die Verfügbarkeit bereits eine Herausforderung. Die Beschaffungsplanung birgt jedoch eine Reihe eigener Schwierigkeiten, da die meisten Ersatzteile aus Asien bezogen werden, was in weiten Teilen der Welt zu langen Vorlaufzeiten führt.

  • Lange Lieferzeiten (lead times) erfordern einen proaktiven Ansatz: Bestellungen, die heute aufgegeben werden, müssen die Nachfrage von Monaten im Voraus berücksichtigen. Wird dieser Bedarf nicht gedeckt, kann dies zu Umsatzeinbußen oder kostspieligen Eilbestellungen führen.
  • Management by Exception: Um proaktiv vorgehen zu können, benötigen Sie die richtigen Instrumente zur Bedarfsprognose sowie ein System, das Sie warnt, wenn ein Artikel nicht mehr vorrätig zu sein droht. Dieser Ansatz hat sich als wirksam erwiesen, da er Unternehmen dabei hilft, von der Reaktion zur Antizipation überzugehen, Lagerausfälle zu minimieren und den Bedarf an teuren Eilaufträgen zu verringern.

Um sowohl die Unsicherheit der Nachfrage als auch des Angebots zu bewältigen und gleichzeitig die richtige Verfügbarkeit aufrechtzuerhalten, ist eine serviceorientierte Bestandsstrategie unerlässlich. Dabei geht es nicht darum, einen bestimmten Deckungsgrad für einen bestimmten Tag zu halten, sondern das Endziel zu erreichen: die Sicherstellung eines pünktlichen und kosteneffizienten Service für Ihre Kunden.

Die Festlegung von Service-Levels kann eine Herausforderung sein, aber die Verwendung von Segmentierungsmethoden wie der ABC-Klassifizierung und die Berücksichtigung produktspezifischer Faktoren können zu ihrer Optimierung beitragen. Auf dem Kfz-Ersatzteilmarkt beispielsweise bedeuten kritische Teile, die als VOR (vehicle off road) gekennzeichnet sind, dass ein Auto nicht fahrbereit ist, bis das Teil verfügbar ist. Wenn diese Teile nicht verfügbar sind, wirkt sich dies negativ auf Kundenseite aus, da das Fahrzeug nicht einsatzfähig ist, und auch auf die Zuliefererseite, da unter Umständen ein Ersatzfahrzeuge bereitgestellt werden muss. Bei solchen Teilen kann die Zuweisung höherer Zielvorgaben für den Servicegrad dazu beitragen, diese kostspieligen Verzögerungen zu vermeiden.

Datengestütztes Sortimentsmanagement zur Bewältigung von Prognoseherausforderungen

Eine wirksame Bestandsstrategie muss das breite Sortiment des Ersatzteilmarktes berücksichtigen und für jede Kategorie – wie Reifen, Filter und Öle – spezifische Servicelevel und Prognosemethoden vorsehen, die auf die Nachfragemuster abgestimmt sind.

Reifen zum Beispiel haben eine konstante Nachfrage und eignen sich daher für ein automatisiertes Management. Im Gegensatz dazu sind kostenintensive Artikel wie Turbolader unvorhersehbar und kostspielig in der Bevorratung. Sie erfordern einen ausgewogenen Ansatz, der Automatisierung mit gezielter Überwachung kombiniert, um Überbestände zu vermeiden und Stockouts vorzubeugen.

Ein erheblicher Teil dieses breiten Sortiments lässt sich nur schwer prognostizieren, und dennoch besteht ein immenser Druck auf die Verfügbarkeit. Diese Kombination birgt ein hohes Risiko von Überbeständen, die oft zu überalterten Beständen führen, da diese Artikel nicht regelmäßig verkauft werden. Wie können Sie also die Fälle reduzieren, in denen Bestände veraltet sind?

  • Überprüfung des Sortiments: In Anbetracht des hohen Veralterungsrisikos ist es für Ersatzteilhändler von entscheidender Bedeutung, ihre Sortimente regelmäßig zu überprüfen und datengestützte Entscheidungen bezüglich der Bevorratung und Ausmusterung zu treffen.
  • Segmentierter Ansatz: Ein segmentierter Ansatz im Bestandsmanagement stellt sicher, dass Überbestände auf ein Minimum reduziert werden und somit auch das Risiko der Veralterung begrenzt wird.
  • Automatisierte Prozesse: Die Automatisierung dieser Prozesse mit frühzeitigen Auslösern für Teile, die sich dem Ende ihres Lebenszyklus nähern, kann dazu beitragen, eine Überbevorratung und die damit verbundenen Kosten für veraltete Bestände zu vermeiden.ç
  • Management by Exception: Um diesen Prozess effektiv zu automatisieren, ist ein “Management by Exception”-Ansatz unerlässlich. Dazu gehört die Einrichtung von Warnmeldungen bei Prognoseabweichungen, rückläufiger Nachfrage oder Änderungen im Produktlebenszyklus. Diese Warnungen geben rechtzeitig einen Überblick und ermöglichen es Unternehmen, Anpassungen vorzunehmen, noch bevor Probleme auftreten.

 

Fazit

In der Ersatzteilbranche ist es nicht immer einfach, alle wichtigen Ersatzteile vorrätig zu halten, ohne Überbestände aufzubauen. Bei schwer kalkulierbaren Artikeln, langen Vorlaufzeiten und einem breit gefächerten Sortiment, kann es leicht zu Lieferengpässen und frustrierten Kunden kommen – und gleichzeitig die Kosten im Blick zu behalten. Glücklicherweise können diese Herausforderungen gemeistert werden. Durch die Verbesserung der

Glücklicherweise lassen sich diese Herausforderungen meistern. Durch eine verbesserte Bedarfsplanung, intelligente Prognoseverfahren und eine proaktive Lieferkettenstrategie können Aftermarket-Unternehmen sicherstellen, dass die richtigen Teile zum richtigen Zeitpunkt verfügbar sind. Die Automatisierung von Sortimentsanalysen und die Einrichtung von Warnmeldungen bei Nachfrageänderungen können außerdem dazu beitragen, kostspielige Überbestände oder veraltete Bestände zu vermeiden. Mit den richtigen Werkzeugen und Strategien können Aftermarket-Unternehmen ihr Bestandsmanagement optimieren und damit sowohl die Rentabilität als auch die Kundenzufriedenheit steigern.

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FAQs zum Bestandsmanagement im Aftermarket

Die Nachfrage ist aufgrund unregelmäßiger Verkaufszyklen, langer Lieferzeiten und einer breiten Produktpalette schwer vorhersehbar. Die meisten Artikel sind Langsamdreher, was maßgeschneiderte Prognosemethoden erfordert, um die Verfügbarkeit zu balancieren und Überbestände zu minimieren.

Verwenden Sie modernste Prognosetechniken wie die „Like-for-like“-Modellierung für neue SKUs und berücksichtigen Sie Reparaturmuster (z. B. OEM- vs. Aftermarket-Teile). Dies verringert die Unsicherheit und ermöglicht eine Optimierung der Sicherheitsbestände.

Breite Sortimente und eine schwer prognostizierbare Nachfrage führen zu Überbeständen und Überalterung. Regelmäßige Sortimentsüberprüfungen, automatische Warnungen bei Änderungen im Lebenszyklus und Segmentierungsstrategien können das Risiko der Überalterung verringern.

Implementieren Sie eine serviceorientierte Bestandsstrategie und nutzen Sie Tools für das Ausnahmemanagement (Management by Exception). Auf diese Weise können Unternehmen die Nachfrage proaktiv antizipieren und die Nachbestellungszyklen optimieren, wodurch kostspielige Eilsendungen vermieden werden.

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