Im Supply Chain Management werden Out-of-Stocks oder Fehlbestände oft als unvermeidliche Realität angesehen, als natürliches Nebenprodukt von Nachfrageschwankungen und Störungen der Lieferkette. Viele Branchenexperten akzeptieren sie als Teil des Geschäfts. Doch ist uns wirklich bewusst, welche Auswirkungen sie tatsächlich haben?

Auch große Einzelhändler wie Walmart kennen das Problem von Stockouts und erkennen die nicht unerheblichen Folgen. Im Jahr 2014 büßte das Unternehmen fast 3 Milliarden US Dollar an potenziellen Umsätzen ein, weil es keine Ware auf Lager hatte. Anstatt diesen Verlust einfach hinzunehmen, hat Walmart gehandelt. Durch die Verbesserung seiner Planungsprozesse gelang es dem Unternehmen, die Fehlbestände um 16% zu reduzieren und damit im Folgejahr spürbar weniger Umsätze zu verlieren.

Aber wie viele Planer nehmen sich wirklich die Zeit, um die Ursachen und Kosten von Fehlbeständen wirklich zu analysieren? Die Erkenntnis, dass Stockouts keine unvermeidbaren Kosten sind, sondern eine lösbare Herausforderung, kann die Art und Weise verändern, wie Einzelhändler an das Bestandsmanagement herangehen.

 

Die Kundenreaktion: Was passiert, wenn Produkte nicht verfügbar sind?

Eine Studie von Corsten und Gruen zeigt, dass Kunden auf vier verschiedene Arten auf Out-of-Stocks reagieren. Manche wählen ein alternatives Produkt oder warten, bis der Artikel wieder verfügbar ist – Reaktionen, die meist nur begrenzte Auswirkungen auf das Geschäft haben. Doch die beiden anderen Reaktionen sind deutlich problematischer: Ein Teil der Kundschaft bricht den Kauf vollständig ab, ein anderer Teil kauft gezielt beim Wettbewerb.

 

Kundenreaktion auf Out-of-Stocks

 

Diese Ergebnisse zeigen, dass ein Kunde weit weniger loyal sein kann, als ein Einzelhändler denkt. Diese Reaktion führt zu einem 100%igen Verlust der Gewinnspanne bei diesen potenziellen Käufen und schadet dem Vertrauen der Kunden erheblich.

Die offensichtlichsten Kosten eines Stockouts sind die verpassten Umsatzchancen. Untersuchungen zeigen, dass Stockouts zu einem durchschnittlichen Umsatzverlust von 4% führen (Corsten & Gruen, 2004). Im Jahr 2021 verloren CPG (Customer Packaged Goods)-Einzelhändler sogar 7,4% ihres Umsatzes aufgrund von Fehlbeständen.

Neben Umsatzverlust verursachen Stockouts aber auch operative Mehrkosten. Expresslieferungen, Eilbestellungen und das hektische Bemühen, die Verfügbarkeit wiederherzustellen, belasten die Gewinnmarge zusätzlich. Diese Kosten sind zwar messbar, aber der immaterielle Schaden für das Markenimage und das Kundenvertrauen kann sogar noch größer sein.

Angesichts dieser Risiken lohnt sich die Investition in bessere Bestandsplanung und vorausschauende Prozesse deutlich mehr, als viele Einzelhändler annehmen.

 

Fehlerquellen in der Bestandsplanung und wie man sie überwindet

Stockouts scheinen oft durch externe Faktoren wie Nachfragespitzen, Störungen der Lieferkette oder globale Ereignisse verursacht zu werden. Ein genauerer Blick zeigt jedoch, dass 72% der Stockouts auf interne Planungsprobleme zurückzuführen sind (Corsten & Gruen, 2004).

Typische Ursachen sind:

  • Veraltete Systeme: Viele Unternehmen verlassen sich immer noch auf Legacy- Systeme, die für statische Planungsprozesse konzipiert wurden. Diese Systeme sind nur schwer an moderne Bestandsanforderungen anpassbar, sodass es schwierig ist, die Lagerbestände effektiv zu optimieren.
  • Subjektive Bestellentscheidungen: Wenn Bestellentscheidungen mehr vom eigenen Bauchgefühl als von Daten beeinflusst werden, führt dies häufig zu Überbeständen, die unnötig Kapital binden, oder zu Fehlbeständen, die zu Umsatzeinbußen und unzufriedenen Kunden führen.
  • Dezentrale Bestellprozesse: Wenn Filialleiter die Bestellungen unabhängig voneinander abwickeln, geht wertvolle Zeit verloren, die für die Kundenbetreuung genutzt werden könnte. Ohne standardisierte Prozesse und eine zentrale Datenverwaltung sind Unternehmen mit Inkonsistenzen bei den Bestandsaufzeichnungen konfrontiert, was zu Ineffizienzen im gesamten Unternehmen führt.

Selbst in zentralisierten Systemen können Fehler in der Bestellplanung, wie z.B. statische Bestellrichtlinien oder schlechte Datenqualität, dazu führen, dass Einzelhändler nicht in der Lage sind, effektiv auf Nachfrageschwankungen zu reagieren.

Die verbleibenden 28% der Stockouts sind auf Probleme bei der Supply Chain Planung zurückzuführen. Dazu können schlecht verwaltete Regalflächen, schlecht abgestimmte Produkteinführungen oder externe Störungen gehören, Faktoren, die durch proaktive und datengesteuerte Planung gemildert werden können.

 

Ein neuer Ansatz für die moderne Planung

Um Stockouts zu minimieren, können sich Unternehmen auf einige Schlüsselbereiche konzentrieren, die unmittelbare Auswirkungen haben:

  1. Verfeinern Sie die Bedarfsplanung: Bereinigen Sie die Nachfragehistorie von Ausreißern, klassifizieren Sie Artikel, um die richtigen Prognosemethoden anzuwenden und reichern Sie Prognosen bei Bedarf mit externen Daten an.
  2. Verbessern Sie die Prognose mit KI: Moderne KI-gesteuerte Algorithmen können die Genauigkeit gegenüber herkömmlichen Prognosetechniken verbessern.
  3. Wählen Sie einen datenbasierten Ansatz für die Bestellung: Durch die Reduktion menschlicher Einflussfaktoren entsteht ein ausgewogener Lagerbestand mit weniger Über- und Fehlbeständen.
  4. Orientieren Sie Ihr Bestandsmanagement am Servicelevel: Anstatt sich auf fixe Bestandsreichweiten zu verlassen, helfen dynamische Sicherheitsbestände, die richtige Balance zwischen Verfügbarkeit und Effizienz zu halten.
  5. Zentralisieren Sie den Einkauf: Standardisierte Prozesse verbessern die Effizienz, reduzieren Fehler und geben den Filialleitern Zeit, sich auf ihre Kunden zu konzentrieren.

Out-of-Stocks mögen für Einzelhändler eine vertraute Herausforderung sein, aber sie sind alles andere als eine unvermeidbare Realität. Wer die wahren Kosten von Fehlbeständen versteht, und zwar nicht nur in Form von Umsatzeinbußen, sondern auch in Bezug auf die langfristige Schädigung des Kundenvertrauens und der Wettbewerbsposition, kann sie als lösbares Problem erkennen und aktiv angehen.

Durch einen segmentierten, datengesteuerten Ansatz können Einzelhändler das empfindliche Gleichgewicht zwischen der Minimierung von Fehlbeständen und der Vermeidung von Überbeständen erreichen. Das Ergebnis? Stärkere Kundenbeziehungen, bessere finanzielle Leistung und ein Wettbewerbsvorteil auf dem Markt.

Leere Regale müssen nicht die Norm sein. Mit der richtigen Strategie können sie der Vergangenheit angehören.

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Quellen:

Artikel und Inhalte zu Allokation und WiederauffüllungArtikel und Inhalte zur Supply ChainBeschaffungsplanungBestandsoptimierungPrognosen & Bedarfsplanung